Persönliche Erklärung zum Beschluss des Bundeshaushalts nach Artikel 31 GO Bundestag zum Abstimmungsverhalten am 2. Februar 2024, Tagesordnungspunkt III, 2./3. Lesung eines Zweiten Haushaltsfinanzierungsgesetzes

 

I.Die Freiheit des Abgeordneten ist im Grundgesetz verankert und doch wird diese – zumindest in einer für die Öffentlichkeit sichtbarer Form – eher weniger öffentlich wahrgenommen . Daher wird immer wieder behauptet, dass Abgeordnete mutmaßlich nicht nach ihrem Gewissen, sondern nach der Parteilinie abstimmen würden. 

 

Von dem Regelfall, dass man als Abgeordneter mit seiner Fraktion stimmt und somit auch die Mehrheit bzw. Funktionsfähigkeit der Regierung sichert, gibt es jedoch auch Ausnahmen. Dies können Gewissensentscheidungen oder aber auch Entscheidungen sein, die für die Heimatregion oder die persönlichen Überzeugungen unannehmbar sind.

Besondere Bedingungen in Mecklenburg-Vorpommern

Das bestehende nationale und europäische Beihilfesystem sichert eine zuverlässige Versorgung der Menschen mit Lebensmitteln in hoher Qualität und zu vertretbaren Preisen. 

 

In meinem Bundesland Mecklenburg-Vorpommern hat ein durchschnittlicher Bauernhof eine Größe von etwa 280 ha; dies hat historische Gründe, die weit in die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg zurückreichen. Die Streichung der Agradiesel-Subvention wird im Durchschnitt zu einem Fehlbetrag von etwa 35.000-40.000 EUR/ Jahr und Hof führen. Dies entspricht ungefähr  dem Jahreslohn einer Arbeitskraft in der Landwirtschaft. Diese Fehlbeträge treffen in der Kombination mit geringeren Förderungen aus der GAP und der erhöhten Bepreisung von CO2 zu einer gesammelten sehr hohen Belastung der Bauern, die bei Familienbetrieben auch direkt einkommenswirksam sind.

Eine solch gravierende Änderung sollte im Dialog erfolgen

Ich kann es nicht vertreten, dass ein solch gravierender Einschnitt ohne ein dahinterstehendes durchgreifendes Konzept zum klimafreundlichen Wandel in der Landwirtschaft und ohne einen Dialog mit den Betroffenen auf den Weg gebracht wird. Zudem gibt es derzeit noch keine marktfähigen Traktoren, die beispielsweise mit einem Elektroantrieb, durch Wasserstoff oder über E-Fuels angetrieben werden. Unsere Landwirtinnen und Landwirte haben derzeit keine realistische Möglichkeit, auf klimafreundliche Antriebe umzustellen und es findet in diese Richtung auch keine groß angelegte Förderung statt. Die Landwirtinnen und Landwirte, insbesondere Agrargenossenschaften und inhabergeführte Höfe, sind wichtige Stützen unserer Dörfer und Gemeinden. 

Die sehr kurzfristig und ohne den Dialog mit den Betroffenen getroffene Entscheidung, die Agrardiesel-Förderung kurzfristig einzustellen, hat im ländlichen Raum in der Folge zu einem Vertrauensverlust und breitem Protest der Landwirte und anderen von Kürzungen betroffenen Berufsgruppen geführt. Im parlamentarischen Verfahren hat der Bundestag die durch die Bundesregierung vorgeschlagene vollständige Streichung der Subvention in eine dreijährige  Ausphasung verbessert; das Gefühl der Bevölkerung im ländlichen Raum, abgehängt zu werden, bleibt. Dabei ist nicht nur die konkrete Maßnahme der kurzfristigen Subventionsstreichung allein zu bewerten, sondern eine Ansammlung der oben erwähnten Maßnahmen. aber in meiner Region trotz einer Rekord-Quote in der Erzeugung von Erneuerbaren Energien auch die höchsten Netzengelte in unserer Republik, die zu einer gefühlt hohen und auch sehr realen Belastung führen.

Alternative Vorschläge liegen auf dem Tisch

Die z.B. durch die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern heute  auch im Bundesrat eingebrachten (Drs 50/24) Kompromiss-Vorschläge zur Verknüpfung eines verlängerten Auslaufens der Subventionen über fünf Jahre in Verbindung etwa mit dem Hochlauf und der steuerlichen Förderung erneuerbarer Energien haben im parlamentarischen Verfahren bisher ebenfalls keine Berücksichtigung gefunden. 

Trotzdem möchte ich anerkennen, dass die Fraktionsvorsitzenden von SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und der FDP den Dialog mit den landwirtschaftlichen Berufsverbänden begonnen haben und wir Koalitionsfraktionen damit in der vergangenen Sitzungswoche mit einem Entschließungsantrag die Arbeit an einer kurzfristigen Agrarreform begonnen haben, deren Ergebnisse noch in diesem Jahr in Gesetzesform umgesetzt werden sollen. Die aktuelle Diskussion bietet die Chance, zu thematisieren, was in der Landwirtschaftspolitik in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten schiefgelaufen ist und wie man es besser machen könnte. 

 

Den landwirtschaftlichen Berufsverbänden in meinem Wahlkreis habe ich zugesagt, diesen Prozess in einem monatlichen Runden Tisch zu begleiten, um regionale Positionen einzubringen. In einem ersten Dialog sind insbesondere die Forderungen, EU-Recht in der nationalen Umsetzung nicht noch weitgehender auszugestalten, Planungs- und Investitionssicherheit sowie Bürokratieentlastung etwa durch das „ONCE-Only-Prinzip“ für die Datenbereitstellung in allen behördlichen Fachinformations- und Meldesystemen vorgeschlagen worden.

Verwendung des Sondervermögens Bundeswehr problematisch

II. Auch Kofinanzierung der Waffenabgabe der Bundeswehr an die Ukraine aus dem Sondervermögen für die Bundeswehr bewerte ich als  falsch und kann dies unter Erwägung der Gesamtsituation nur unter der Prämissen mittragen, dass dies ein einmaliger Vorgang bleibt und die 2 % Investition in Verteidigungsausgaben auch in der Mittelfristigen Finanzbedarfsplanung ihren Niederschlag finden werden.

Es zählt die Gesamtverantwortung

III. Das Haushaltsfinanzierungsgesetz 2024 ist ein sogenanntes Omnibusgesetz, dass verschiedene Gesetzesänderungen in einem Gesetz verbindet. Unter anderem gehören neben der kritisierten Agrardieselstreichung auch die Einführung von schärferen Sanktionen für Bürgergeld-Empfänger, die als Totalverweigerer gelten, zum Inhalt des Gesetzes. Dieser Punkt wird von vielen Menschen in unserer Region begrüßt.

 

Als Bundespolitiker tragen wir als Abgeordnete fachübergreifend Verantwortung für den gesamten Haushalt. Ihn und das vorbereitende Haushaltsfinanzierungsgesetz zu verwerfen würde bedeuten, alle Einzelpläne und Vorhaben der Bundesregierung in Frage zu stellen. Das liegt mir fern. Außerdem ist es wichtig, wieder arbeitsfähig zu werden und die Phase der vorläufigen Haushaltsführung zu beenden.

 

Trotz erheblicher Bedenken bezüglich der Auswirkungen des Gesetzes  für einen wichtigen  Wirtschaftszweig, aber auch für den Zusammenhalt von Stadt und Land, werde ich mich heute bei der Abstimmung über das Haushaltsfinanzierungsgesetz „nur“ enthalten.

 

Damit wiege ich in meiner Entscheidung die positiven und negativen Aspekte im Gesetz, aber auch mein Gesamtverantwortung ab. Gleichwohl möchte ich der Führung meiner Fraktion damit auch mein Vertrauen aussprechen, in den nächsten Monaten eine Agrarreform zu verhandeln, welche die im Haushalt vorgenommenen Belastungen kompensiert und viele der in den letzten 20 Jahren regulativ ungelösten Zukunftsfragen beherzt in Angriff nimmt. In den nächsten sechs Monaten müssen wir unser Wort halten und konkret umsetzbare Vorschläge liefern. Packen wir es an.

Politik für meine Heimat