Zum zweiten Mal in diesem Jahr konnte ich ein Ideenpaper zu einem militärischen Thema in einem sicherheitspolitischen Fachmedium publizieren. Mein Beitrag beschäftigt sich mit der  Beleuchtung wesentlicher Fragen des militärischen Anteils des Strategiedialogs. Diskutiert werden die Notwendigkeit eines Konzepts zur Konsolidierung langfristiger Ziele, Bestrebungen und Maßnahmen für ein souveränes Deutschland in einem starken, Werte geeinten Europa. Ich rufe dazu auf, mehr Innovation, mehr Europa, mehr Streitkräfte und mehr Verantwortung zu wagen. Hoffe dass diese Punkte in der Diskussion um die nationale Sicherheitsstrategie: a way ahead Beachtung finden werden.

Seit dem Ende des Kalten Krieges und dem historischen Erfolg unserer friedlichen Deutschen Wiedervereinigung wurde der Umfang deutscher Streitkräfte fast jährlich von zeitweise über 590.000 Mann auf 186.000 Soldatinnen und Soldaten reduziert. Wir haben uns dabei daran gewöhnt, dass das Material der Bundeswehr immer älter wird, Schiffe nicht fahren, Panzer nicht rollen und Flugzeuge nicht fliegen. Der Zivilschutz wurde so weit reduziert, dass zur Bewältigung jeder kleineren Katastrophe die Bundeswehr angefordert werden muss. Der Landkreis Seenplatte, der zweimal so groß wie das Saarland ist, hat zum Bevölkerungsschutz gerade einmal noch zwei Zivilschutzfahrzeuge zur Verfügung. In diesem Zeitraum ist der Anteil der Verteidigungsausgaben von 2,5 Prozent des BIP auf zwischenzeitlich 1,3 Prozent abgesunken. Der summierte Investitionsstau der sog. “Friedensdividende“ der letzten 30 Jahre beträgt nach vorsichtigen Schätzungen einiger Konfliktforscher etwa 430 Mrd. Euro allein in der Bundeswehr. 

Wir leben indes in einer Zeit, in der die Prophezeiung Francis Fukuyamas über das Ende der Geschichte (1992) und des Sieges und der endgültigen Durchsetzung von Liberalismus, Demokratie und Marktwirtschaft sich unbestreitbar und schmerzlich entzaubernd als überholt wie unerfüllt bewiesen hat.

Der vom russischen Präsidenten Putin vom Zaun gebrochene Angriffskrieg ist ein nie gekannter Tabubruch und stellt den seit dem Ende des 2. Weltkriegs bestehenden Konsens einer regelbasierten, internationalen Ordnung nachhaltig in Frage. Von einer Zeitenwende, auch für Deutschland, spricht so Bundeskanzler Olaf Scholz mit der Regierungserklärung vom 28.02.2022 nach der Invasion Russlands in die Ukraine. 

Wir erleben jedoch nicht nur um, sondern auch in Europa die Bedrohung demokratischer und liberaler Werte durch immer offener ausgetragene Konkurrenz zwischen demokratischen und autokratischen Systemen. Dazu kommen auch die Herausforderungen u.a. durch Klimawandel, Migration, Armut und demographischen Wandel.

Sicherheit als Zustand und Gefühl des Nicht-bedroht-Seins der Freiheit und innigste Aufgabe des Staates als alleiniger Inhaber des Gewaltmonopols, bedarf daher einer Gesamtkonzeption unter konsolidierten Maßnahmen, die auf ein langfristig angestrebtes Ziel gerichtet ist.

 

A priori geht indes vor dem Benennen des Zieles, stets das Erkennen seiner selbst und der eigenen Verortung voraus. Oder wie ein altes Sprichwort sagt: “Nur wer weiß wo er ist, kann gehen wohin er will.”

Es ist daher wichtig, dass wir jetzt den Mut haben, klar unsere eigenen nationalen Ziele aber auch gemeinsame Herausforderungen und Bedrohungen zu benennen, uns selbst zu erkennen, Klarheit, Profil aber auch Grenzen unseres Handelns zu definieren, um erstens die Sicherheit, den Wohlstand und die außenpolitische Handlungsfähigkeit Deutschlands zu sichern, zweitens in einem geeinten Europa die großen Herausforderungen der Zeit gemeinsam zu bewältigen, drittens langfristig organisatorische Sicherheit und eine kohärente Planung sicherzustellen und viertens für unsere Partner greifbar und verlässlich zu werden.

Doch welche Ziele sind groß genug, im Rahmen einer nationalen Sicherheitsstrategie als übergreifende gesamtstaatliche Ziele über alle Aspekte einer solchen Strategie hinweg zu dienen?

 

Ansatzpunkte für die Formulierung dieser Ziele sind aus meiner Sicht:

 

  1. Schutz von Leben, Sicherheit und Gesundheit der Einwohner Deutschlands 
  2. Verteidigung der territorialen Integrität Deutschlands, Souveränität und Selbstbestimmung unter allen Umständen. Dazu gehört auch der Cyberraum.
  3. Versorgungssicherheit und der Schutz gesellschaftskritischer Funktionen 
  4. Aufrechterhaltung unserer demokratischen Ordnung, des Rechtsstaats und der Grund- und Menschenrechte. 
  5. Stabilität und Sicherheit in Europa mit unseren Partnern organisieren und garantieren. Dazu gehört auch der Beistand für unsere Partner und Verbündeten.

 

Sicherheit muss dabei ganzheitlich gedacht werden. Daher sollten die Dachdokumente zur zivilen Krisenprävention und zur Entwicklungshilfe, aber auch die konzeptionellen Grundlagen für die Gesamtverteidigung aber auch der Gesundheitsvorsorge in einer nationalen Sicherheitsstrategie vereint werden.

Hier kommt der Link zum Papier zum Weiterlesen:

https://www.gsp-sipo.de/fileadmin/Daten_GSP/D-Kacheln_Startseite/B-Einblick/GSP-Einblick_16_MdB_Arlt.pdf

Hier folgen meine weiteren Thesen zum Bereich Sicherheit:
https://johannesarlt-mv.de/sicherheit