Regelmäßig werden während des Sommerlochs Forderungen nach der Reaktivierung der Wehrpflicht laut. Während auf der konservativen Seite die Hoffnung auf die Rückkehr der „guten alten Zeit“ das Narrativ bestimmen, gibt es auf der Seite der Wehrpflichtgegner dann diejenigen, die in der Debatte darauf hinweisen, dass der Wehrdienst ungerecht wäre. Oft argumentieren sogar Soldaten und Soldatenvertreter, dass die Ausbildung von Wehrpflichtigen heute keine Aufgabe der Bundeswehr mehr sei. Begründet wird das mit fehlenden Kapazitäten bei Unterbringung, Ausbildern und Ausbildungseinrichtungen. In diesem Artikel erläutere ich ein Alternativkonzept, den Allgemeinen Gemeinschaftsdienst #AGD-Ein starkes Konzept für die Zukunft.
Wehrdienst 2.0 – ein altes Konzept neu „aufgewärmt“
Zwei wichtige Auslöser für das Wiederaufflammen der Diskussion um die Wiedereinführung des Wehrdienstes sind mit großer Wahrscheinlichkeit die Re-Fokussierung der NATO auf Landes- und Bündnisverteidigung, ausgelöst durch die völkerrechtswidrige Annektierung der Krim durch Russland 2014, aber auch Probleme bei der Nachwuchsgewinnung der Bundeswehr. Die Bundeswehr hat bis 2011 durch den Wehrdienst allein ungefähr 50 Prozent ihrer späteren Zeit- und Berufssoldaten gewonnen. Oft handelt es sich bei den Gewonnenen auch um SoldatInnen, die ohne die Wehrpflicht einen Dienst als Soldat nicht in Betracht gezogen hätten – meine Person eingeschlossen.
In der Frage der Legitimation hingegen sollten noch zwei weitere Aspekte gehört werden. Durch die Wehrpflicht wurde der ständige Austausch mit der Gesellschaft sichergestellt und verhindert, dass sich innerhalb der Bundeswehr ungewollte Strukturen bilden, die der parlamentarischen Demokratie skeptisch oder ablehnend gegenüberstehen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt bei der Beleuchtung des Thema Wehrdienst ist die Wehr- bzw. Dienstgerechtigkeit: über Jahrgänge mit sinkenden Einzugsraten hinweg muss man sich die Frage der Legitimität einer faktischen Auswahlwehrpflicht gefallen lassen – ist diese nicht nur die Behinderung junger Menschen auf dem in das Berufsleben oder gar ein Wettbewerbsnachteil? Die besonderen Schwere des Grundrechtseingriffs für junge Menschen müssen wir uns dabei in der Abwägung der Argumente ständig vor Augen führen.
#AGD-Ein starkes Konzept für die Zukunft
Vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Herausforderungen und dem „Mengengerüst“ greifen meiner Ansicht nach alle Forderungen nach einer „einfachen“ Wiederbelebung der Wehrpflicht zu kurz.
Wir müssen uns eine viel grundlegendere Frage stellen: Welche Art Staatsbürger wollen wir? Wie wollen wir in einer multipolaren, globalisierten Welt mit multiplen Werten einen gesellschaftlichen Zusammenhalt erreichen und unsere verfassungsmäßigen Werte, die Werte einer freiheitlichen demokratischen und sozialen Weltordnung und soziales Bewusstsein an unsere jungen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger weitergeben? Reicht Steuern zahlen als Aktivität für Engagement eines Staatsbürgers aus? Wie wollen wir die immer stärker aufbrechende Kluft in der Bevölkerung verkleinern und den sozialen Frieden bewahren?
Könnte ein Allgemeiner Gemeinschaftsdienst (#AGD), der von allen Jungen und Mädchen sowie Männer und Frauen zwischen, wie von René Schulz vorgeschlagen, zwischen dem 16. und 27. Lebensjahr zu leisten ist, sowohl die normativen als auch die faktischen Bedarfe der Gesellschaft decken? (s. Link) Ist es vorstellbar, einen solchen Pflichtdienst nicht nur für die deutschen Staatsbürger einzuführen sondern für alle jungen Menschen in Deutschland?
Wie lösen wir die Herausforderungen?
Unabhängig von der Breite des Diskurses gibt es einen gesellschaftlichen Konsens, dass in vielen Bereichen der Gesellschaft, sei es im Katastrophen- und Heimatschutz, im sozialen Bereich und im Gesundheitsbereich, aber auch im Bereich des Klima- und Umweltschutzes und der Entwicklungszusammenarbeit es an personellen Ressourcen mangelt, um Aufgaben zu erledigen, die gesellschaftlich wünschenswert, aber nicht bezahlbar sind.
Ich kann mir folglich durchaus die Einbeziehung junger Menschen unabhängig von der Staatsbürgerschaft vorstellen (Ausnahme: Dienst in den Streitkräften). Darüber hinaus bin ich davon überzeugt, dass wir in dieser Weise auch die Integration voranbringen können. Der #AGD muss auch Menschen mit unterschiedlichen körperlichen Voraussetzungen unterschiedliche Möglichkeiten bieten, Dienst an der Gesellschaft zu leisten.
Ich will, dass der AGD unterschiedlichen Lebens- und Ausbildungssituationen Rechnung trägt. Darüber hinaus hoffe ich, dass der AGD so attraktiv ist, dass er von vielen als Chance empfunden wird.
Bezüglich der zu erwartenden Prüfung vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte sei auf andere europäische NATO-/EU-Mitgliedsstaaten hingewiesen, die weiterhin an der Wehrpflicht, teilweise sogar einer Auswahlwehrpflicht festhalten oder diese wiedereingeführt haben. Wichtig ist es, von Beginn an eine hohe Wehrgerechtigkeit zu erzielen. Die positive Diskrimierung auf Grund des Geschlechts oder der Staatsbürgerschaft müssen wir möglichst von vorn herein auszuschliessen.
Wir müssen ausschliessen, dass Arbeitsplätze auf dem ersten und zweiten Arbeitsmarkt durch #AGDienstleistende ersetzt werden. Die Dienstposten müssen so ausgestaltet werden, dass ein zusätzlicher gesellschaftlicher Nutzen durch die Tätigkeiten entsteht. Wir müssen sicherstellen, dass nur bisher nicht finanzierbare Aufgaben wahrgenommen werden. Wir dürfen durch die Einführung keine Arbeitsplätze vernichten.
Darum trete ich für den #AGD ein
Der #AGD ist ein starkes Konzept für die Zukunft. Mit viel Freiheit in Form und Ausgestaltung könnte diese sinnstiftende Tätigkeit eine Alternative zum Jahr „Auszeit“ nach dem Abitur bieten. Wenn alle ohne Unterschied mitmachen, ist es vielleicht sogar ein cooles Jahr, an das man sich gerne erinnert. Für den einen oder die andere könnte der AGD die spätere Berufswahl entscheidend beeinflussen.
Ich spreche mich deshalb für die Einführung eines allgemeinen Gemeinschaftsdienstes (#AGD) mit einer Dauer von 12 Monaten aus. Der #AGD kann den Zusammenhalt der Gesellschaft stärken. Er kann darüber hinaus jungen Staatsbürgern eine sinnstiftende Tätigkeit sowie soziales Bewusstsein, für die unsere Gesellschaft steht, in besonderer Weise vermitteln.